Kuen

Ausgleichsanspruch: Billigkeitsabschlag 0% (OLG)

Obwohl der OGH immer wieder Entscheidungen bestätigt, in denen Ausgleichsansprüche von Tankstellenpächtern aus Billigkeitserwägungen um 50% gekürzt wurden, gelang Susanne Kuen vor kurzem die Erwirkung von Ausgleichsansprüchen ohne die Vornahme eines Billigkeitsabschlags (OLG Wien 2019).


Eine Pächterin hatte für eine Mineralölgesellschaft im Laufe der Jahre mehrere Tankstellen geführt. Die Übernahmen erfolgten teilweise sehr kurzfristig und waren für die Pächterin tendenziell verlustbringend. Zuletzt führte sie eine gut gehende Tankstelle, bei der sie die Hoffnung hatte, ihre betrieblichen Schulden abbauen zu können. Die Mineralölgesellschaft kündigte diesen Vertrag jedoch bereits nach knapp zwei Jahren.


In außergerichtlichen Verhandlungen bot die Mineralölgesellschaft etwas mehr als die Hälfte des Höchstbetrages für den Treibstoffvertrieb. Da die Pächterin den Folgemarkt aber als Franchisenehmerin führte, war zu erwarten, dass ihr auch hier für ein Ausgleichsanspruch zuerkannt werden würde. Da die Vertragslaufzeit allerdings nur knapp zwei Jahre betrug, war mit einer erheblichen Verminderung des der Pächterin zurechenbaren Stammkundenumsatzanteils zu rechnen.

Die Pächterin entschied sich für die Einbringung einer Klage und musste diesen Schritt keineswegs bereuen. Denn der Umstand, dass sich die kurze Vertragsdauer über den Stammkundenumsatzanteil mindernd auf die Höhe des errechneten Rohausgleichs auswirkte, konnte durch eine gute Argumentation hinsichtlich der Billigkeitserwägungen mehr als wett gemacht werden:


Susanne Kuen konnte das Hauptaugenmerk des Erstgerichts erfolgreich auf die hohe betriebliche Verschuldung der Pächterin im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung lenken. Denn während die Klägerin mit den Betriebsergebnissen nicht einmal ihren Lebensunterhalt finanzieren konnte, sondern – ganz im Gegenteil – sich verschuldete, erzielte die Mineralölgesellschaft hohe Treibstoffumsätze und Pachteinnahmen. Susanne Kuen beantragte daher diesen Umstand bei den Billigkeitserwägungen zu berücksichtigen und konnte damit erwirken, dass das Erstgericht keinen Billigkeitsabschlag vornahm.

Die von der Mineralölgesellschaft gegen dieses Urteil erhobene Berufung wurde abgewiesen, sodass dieses Urteil in Rechtskraft erwuchs. Im Vergleich zum außergerichtlichen Angebot erhielt die ehemalige Pächterin in etwa den doppelten Betrag. Weiters musste die Mineralölgesellschaft rund EUR 22.000 an Zinsen an die Pächterin leisten sowie die gesamten Prozesskosten in eben dieser Höhe ersetzen.

09/2019