Eigenkündigung wegen defizitärem Vertrag (OGH)
OGH 9 ObA 18/09a v. 29.04.2009
Da ein Pächter mit seiner Tankstelle trotz größter persönlicher Anstrengungen keinen vertretbaren Geschäftsgewinn erzielen konnte, kündigte er den Tankstellenvertrag. Susanne Kuen konnte in diesem bis zum OGH geführten Verfahren erstmals durchsetzen, dass bei Eigenkündigung ein Ausgleichsanspruch auch dann zusteht, wenn die Vertragsbedingungen von Anfang an eine gewinnbringende Führung nicht zulassen.
Susanne Kuen begehrte für den Kläger den Ausgleichsanspruch mit der Begründung, dass ihm in diesem Falle der Eigenkündigung der Ausgleichsanspruch zustehe, weil er aus einem Umstand gekündigt habe, welcher der Beklagten zurechenbar sei. Denn die Vertragsbedingungen (insb. Provisionshöhe und Öffnungszeiten) seien von der Mineralölgesellschaft vorgegeben gewesen.
Das betriebswirtschaftliche Sachverständigengutachten bestätigte, dass der Kläger selbst bei einem wöchentlichen Arbeitseinsatz von 55 Stunden pro Woche mit dieser Tankstelle keinen Gewinn erzielen konnte. Bei einem wöchentlichen Arbeitseinsatz von 70 Stunden pro Woche wäre ein Geschäftsgewinn von EUR 650,00 pro Monat erzielbar gewesen. Das Erstgericht erkannte daraufhin den Ausgleichsanspruch dem Grunde nach zu.
Gegen dieses Urteil erhob die beklagte Partei Berufung. Das Berufungsgericht vertrat unter anderem die Rechtsansicht, dass das die Kündigung bedingende Verhalten der Mineralölgesellschaft bereits vor Vertragsunterfertigung gesetzt worden sei, sodass die Verletzung vorvertraglicher Pflichten den Pächter nicht Jahre später zu einer Eigenkündigung unter Wahrung des Ausgleichsanspruches berechtigen würde.
Der gegen die Berufungsentscheidung erhobene Rekurs der Klagevertreterin an den Obersten Gerichtshof war erfolgreich:
“Wenn nun aber – wie hier – der Tankstellenpächter gar nicht die Möglichkeit hatte, unter zumutbaren Voraussetzungen zu bestehen, sondern nur vor die Wahl gestellt war, das Vertragsverhältnis zu für ihn völlig unzumutbaren Bedingungen (persönliche Arbeitsleistung von überwiegend 70 Stunden wöchentlich) fortzusetzen oder früher oder später in die Insolvenz zu schlittern – kann kein Zweifel daran bestehen, dass die wirtschaftliche Situation der Tankstelle ausschließlich der Sphäre des Unternehmers zuzurechnen ist. […] Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der Handelsvertreter unter Einsatz eigener Ressourcen (Geldmittel, überdurchschnittlicher Arbeitseinsatz) versucht, dennoch einen entsprechenden Ertrag zu erwirtschaften und erst nach gewisser – je nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilenden Zeit, die hier aber keinesfalls überschritten wurde -, das Scheitern seiner diesbezüglichen Bemühungen zur Kenntnis nehmen muss.”
Der Ausgleichsanspruch geht also auch nicht dadurch verloren, dass der Pächter einige Jahre lang versucht, einen entsprechenden Ertrag zu erwirtschaften. Die Beklagte hatte nämlich – unter anderem – erfolglos argumentiert, dass der Kläger die Kündigung viel früher hätte vornehmen müssen, weil der Ausgleichsanspruch nur dann entstehen würde, wenn die Kündigung zeitnah zum Vorliegen des Grundes (= Vertragsabschluss) ausgesprochen wird.
Susanne Kuen