Fristlose Vertragsauflösung nach Detektivermittlungen: rechtswidrig (OLG)
Eine Mineralölgesellschaft löste einen Tankstellenvertrag fristlos auf, weil sich der Pächter weigerte, einer Verlängerung seiner Öffnungszeiten zuzustimmen, sowie wegen angeblicher Sauberkeitsmängel. Susanne Kuen konnte auch für diesen Pächter Ausgleichsanspruch und Schadenersatz wegen rechtswidriger fristloser Vertragsauflösung durchsetzen (OLG Wien 2012).
Die Mineralölgesellschaft verwendete hinsichtlich der Öffnungszeiten eine Vertragsbestimmung, wonach der Pächter verpflichtet wurde, die Tankstelle während der zulässigen Betriebszeiten offen zu halten und die Mineralölgesellschaft „bis auf weiteres“ einer Einschränkung der Tankstellen-Öffnungszeiten auf 6.00 Uhr bis 22:00 Uhr zustimme.
Im Jahr 2005 beschloss diese Gesellschaft, die Öffnungszeiten möglichst generell von 22.00 Uhr auf 24.00 Uhr auszudehnen. Der Gebietsleiter legte dem Kläger zunächst eine Vereinbarung vor, wonach der Kläger der Verlängerung der Öffnungszeiten hätte zustimmen sollen. Als sich der Kläger weigerte, behauptete die Gesellschaft, aufgrund der Vertragsformulierung ohnehin zu einer einseitigen Änderung berechtigt zu sein.
Für den Fall, dass er seine Tankstelle dennoch nicht länger aufsperre, drohte der Gebietsleiter die fristlose Vertragsauflösung an. Als Susanne Kuen daraufhin mit dem Vorgesetzten des Gebietsleiters zwecks einvernehmlicher Vertragsauflösung telefonierte und ihn davon zu überzeugen suchte, dass eine solche Auflösung rechtswidrig sei, entgegnete dieser, dass man dann eben andere Gründe für eine fristlose Vertragsauflösung finden werde. Tatsächlich wurde ein Privatdetektiv engagiert, der Berichte lieferte, wonach beispielsweise bereits kurz vor 22.00 Uhr das Scheibenputzwasser weggeräumt und der Ständer mit den Motorölen vom Freibereich in den Shop geräumt werden würde.
Dem Kläger wurde daher unter Vorhalt, dass er die Öffnungszeiten nicht einmal bis 22.00 Uhr einhielte, die fristlose Vertragsauflösung angedroht und kurz danach auch ausgesprochen. Die Beklagte stützte die fristlose Vertragsauflösung zunächst hauptsächlich auf die Nichteinhaltung der Öffnungszeiten bis 22.00 Uhr. Das Erstgericht folgte aber relativ bald der Argumentation der Klagevertreterin, wonach der – seit dreißig Jahren für die Beklagte tätige – Kläger die vereinbarten Öffnungszeiten sehr wohl einhielt und es sich hierbei nur um eine fristlose Vertragsauflösung nicht rechtfertigende Vorarbeiten gehandelt habe. Außerdem erachtete das Erstgericht die Formulierung hinsichtlich der Öffnungszeiten nicht klar genug, um ein einseitiges Änderungsrecht einzuräumen.
Das OLG Wien gab der Berufung der beklagten Partei mit der Begründung statt, dass das Erstgericht die Umstände bei Vertragsabschluss genauer erheben müsse, um den Inhalt der Vereinbarung beurteilen zu können.
Die beklagte Partei hatte mittlerweile in einem anderen Verfahren, in dem die Autorin nicht beteiligt gewesen war, ein erstinstanzliches Urteil erwirkt, wonach die beklagte Partei bei identer Vertragslage sehr wohl ein Recht zu einseitigen Änderung der Öffnungszeiten hatte. Dieses Urteil wurde durch das OLG Wien bestätigt. Die außerordentliche Revision wurde nicht zugelassen, sodass dieses Urteil rechtskräftig wurde.
Da die Mineralölgesellschaft sich auf diese Entscheidung berief, hatten der Kläger und die Autorin sohin gegen ein nicht in ihrem Verfahren ergangenes Urteil zu kämpfen. Der Sieg gelang dennoch: das Erstgericht erkannte nach ergänzender Beweisaufnahme, dass ein einseitiges Änderungsrecht der Beklagten nicht vereinbart worden war, sodass die auf die Weigerung der Ausdehnung der Öffnungszeiten gestützte fristlose Vertragsauflösung rechtswidrig erfolgte.
Das OLG Wien gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und bestätigte somit das Ersturteil. Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Susanne Kuen
Erstveröffentlichung: 03/2009
aktualisierte Fassung: 09/2015