Kuen

Fristlose Vertragsauflösung wegen Nichteinhaltung von Standards (OGH)

OGH 8 ObA 61/08s v. 23.02.2009

 

Eine Mineralölgesellschaft löste den Vertrag mit einer langjährigen Pächterin fristlos auf, weil der Gebietsleiter vier Packungen Käse gefunden hatte, deren Mindesthaltbarkeitsfrist das Datum des Vortags trug. Susanne Kuen konnte sowohl Schadenersatzansprüche wegen Rechtswidrigkeit dieser Vertragsauflösung sowie Ausgleichsansprüche durchsetzen.

 

Die Mineralölgesellschaft (MÖG) hatte die Pächterin schon längere Zeit im Visier. Mängellisten enthielten unter anderem Punkte, die in etwa lauteten: „Mistkübel mit falschem Logo“ oder „nicht straff gespannte Fahne“ (an diesem Tag ging beträchtlicher Wind). Auch wurde einmal eine Ware mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum gefunden. Es folgten entsprechende Abmahnungen und die Androhung der fristlosen Vertragsauflösung.

Als der Gebietsleiter eines Morgens erneut Käseprodukte fand, deren Mindesthaltbarkeitsfrist das Datum des Vortags trugen, hielten der Gebietsleiter und die Entscheidungsträger der MÖG offenbar den Zeitpunkt für günstig, den Vertrag fristlos aufzulösen. Doch sie hatten sich geirrt.

Die langjährige – und kurz vor der Pensionierung stehende – Pächterin musste die Tankstelle noch am selben Tag räumen. Völlig verzweifelt wollte sich die Pächterin gegen diese – nicht nur finanziell sondern auch menschlich äußerst belastende – Vorgangsweise wehren und wandte sich an unsere Kanzlei.

Eine fristlose Vertragsauflösung ist nur dann rechtmäßig, wenn der andere Vertragspartner ein Verhalten gesetzt hat, welches dem auflösungswilligen Teil die Einhaltung des Vertrages bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar macht (= wichtiger Grund).

Susanne Kuen argumentierte in der Klage, dass die Klägerin keinesfalls einen wichtigen Grund gesetzt habe, welcher die MÖG zu einer fristlosen Auflösung berechtigt hätte. Die beklagte MÖG behauptete natürlich das Gegenteil und legte hierzu umfangreiche „Mängellisten“ vor. In ihrem Vorbringen verwendete die MÖG jedoch teilweise ein und denselben „Mangel“ zwei Mal, in dem sie den „Mangel“ nicht nur zu einem gewissen Zeitpunkt behauptete, sondern auch zum Kontrolltermin, obwohl sich hierzu auf der Liste die Bestätigung des Gebietsleiters fand, dass der „Mangel“ behoben sei.

Das Erstgericht kam relativ rasch zu dem Ergebnis, dass die vier Käseprodukte keinen Grund darstellen würden, welcher die Beklagte zur fristlosen Auflösung berechtigt hätte. Es sprach daher sowohl den Schadenersatz als auch den Ausgleichsanspruch dem Grunde nach zu.

Die Beklagte bekämpfte dieses Urteil in vollem Umfang. Für den Fall, dass die fristlose Vertragsauflösung doch rechtswidrig gewesen sein sollte, begehrte die Beklagte, dass die zahlreichen „Verfehlungen“ der Klägerin zumindest zu einer Minderung der Schadenersatzpflicht der Beklagten wegen Mitverschuldens führen sollte.

Das Oberlandesgericht bestätigte die Rechtswidrigkeit der fristlosen Auflösung sowie die Zuerkennung beider Ansprüche dem Grunde nach durch das Erstgericht. Der Ansicht der Beklagten, wonach die „Verfehlungen“ der Klägerin zu einer Minderung des Schadenersatzanspruches führen sollten, teilte es nicht.

Das Oberlandesgericht ließ den Rechtszug an den Obersten Gerichtshof jedoch zu einer Detailfrage zum Rechtsgebiet der fristlosen Vertragsauflösung zu. Diese Möglichkeit nützte die Beklagte – jedoch vergeblich. Denn der Oberste Gerichtshof bestätigte nicht nur die Zuerkennung des Ausgleichsanspruches und des Schadenersatzes dem Grunde nach, sondern bestätigte die Rechtmeinung der klagenden Partei auch bezüglich der Nichtberücksichtigung der „Verfehlungen“ der Klägerin bei der Bemessung des Schadenersatzanspruches.

Susanne Kuen

Erstveröffentlichung: 05/2009; aktualisierte Fassung: 04/2015