Kuen

Pandemiebedingte Insolvenz: Ausgleichsanspruch

Der erste Lockdown im Frühling 2020 führte bei einigen Tankstellen zu massiven Umsatzeinbrüchen. Da die Mineralölgesellschaft nicht bereit war, die entstehenden Verluste abzudecken, wollte ein Tankstellenpächter den Vertrag so rasch wie möglich beenden. Zusätzlich konnte Susanne Kuen die Entstehung der Ausgleichsansprüche herbeiführen.


Der Pächter betrieb eine Tankstelle auf einer Autobahnraststation. Aufgrund der Offenhaltpflicht wurde laufende Betrieb mangels Kundschaft hoch defizitär. Die Mineralölgesellschaft war dennoch nicht bereit, eine schriftliche Vereinbarung zur Abdeckung der entstehenden Geschäftsverluste schließen. 


Susanne Kuen empfahl ihrem Mandanten den Geschäftsbetrieb einzustellen und ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens einzubringen. Entscheidend für den späteren Prozesserfolg war, dass der Mandant davor den Tankstellenpachtvertrag nicht selbst gekündigt hatte. Um die Tankstelle einem Nachpächter zu übergeben, musste schließlich die Mineralölgesellschaft den Tankstellenvertrag fristlos auflösen.


Da die Mineralölgesellschaft die Zahlung von Ausgleichsansprüchen kategorisch ablehnte, musste eine Klage beim Handelsgericht Wien eingebracht werden. Zunächst war zu klären, ob Ausgleichsansprüche aufgrund der Art der Beendigung überhaupt entstanden waren. Die Beantwortung dieser Frage hing entscheidend davon ab, ob der Tankstellenvertrag nach Ausbruch der Pandemie noch rentabel zu führen war. Das hierfür eingeholte betriebswirtschaftliche Gutachten bestätigte, dass die Rentabilität nicht gegeben war. Daraus folgte – wie in der Klage vorgebracht – dass den Pächter an der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit kein Verschulden traf.


Im Falle der fristlosen Auflösung des Vertrages durch die Mineralölgesellschaft entstehen Ausgleichsansprüche nur dann nicht, wenn den Tankstellenpächter am Auflösungsgrund ein Verschulden trifft. Da den Pächter am Auflösungsgrund, nämlich der Zahlungsunfähigkeit, kein Verschulden traf, erkannte das Handelsgericht Wien den Ausgleichsanspruch zu. Erfreulicher Weise konnte auch ein erheblich geringerer Billigkeitsabschlag als 50% erfolgreich argumentiert werden. Das Urteil ist rechtskräftig.


Dieser Fall zeigt die Bedeutung kompetenter rechtlicher Beratung und Betreuung schon vor Vertragsbeendigung. Denn hätte der Pächter den Tankstellenvertrag gekündigt, wären die Erfolgschancen viel geringer gewesen. Bei einer Eigenkündigung wären die Ausgleichsansprüche nämlich nur dann zuzusprechen gewesen, wenn die Zahlungsunfähigkeit als der Mineralölgesellschaft zurechenbar qualifiziert worden wäre.  


09/2022